Die Akzeptanz der Diagnose kam nicht sofort

Evas Beschwerden begannen früh, mit zunehmendem Hüftumfang in der Jugend und immer wieder aufkommenden Zweifeln an ihrem Körper. Trotzdem ließ die offizielle Diagnose auf sich warten. 2012, nach ihrer Ausbildung zur Altenpflegerin, erhielt Eva eine erste Einschätzung von einem Phlebologen. Damals war sie jedoch nicht bereit, sich mit den Details auseinanderzusetzen. Zu vieles in ihrem Leben – Krankheit, Überlegungen zu einem Studium und Alltag – geschahen zu diesem Zeitpunkt gleichzeitig.

Erst Jahre später, 2020, nachdem sie ihre Ausbildung zur Heilpraktikerin erfolgreich abgeschlossen hatte, entschloss sie sich, erneut einen Phlebologen aufzusuchen. Nun war sie gefestigter und akzeptierte die Diagnose vollständig. Der zuständige Arzt beriet sie umfassend. Zum Teil war Eva sogar erleichtert, denn endlich gab es eine Erklärung für ihre gesundheitlichen Probleme, die nicht nur mit ihrem Gewicht verbunden war. Trotzdem lag kein einfacher Weg vor ihr.

„Ich habe meine Kompression am Anfang gehasst“

Die Kompression sah sie zu Beginn als Feind, als fremden Gegenstand, der ungewollt ein Teil ihres Lebens war. „Ich habe meine Kompression am Anfang gehasst. Da dachte ich, jetzt bin ich nicht nur dick, sondern habe zusätzlich noch eine Krankheit, die mich begleitet.“ Diese Erkenntnis traf Eva wie ein Paukenschlag. Darüber hinaus musste sie sich mit ungewohnten Herausforderungen im Job auseinandersetzen. Neben der Diagnose Lipödem im Stadium 2-3 bei ihren Beinen waren zunehmend ihre Arme ebenfalls betroffen. „Mit dem Öl, das ich bei meiner Arbeit als Heilpraktikerin nutze, sind Armstrümpfe echt Next-Level“, lacht Eva heute.

Erst langsam begann sie, sich mit der Kompression und ihren positiven Auswirkungen anzufreunden. Eva liebt es, aktiv zu sein und bewegt sich viel. Sie genießt es zu schwimmen, zu tanzen, Rad zu fahren – gemeinsam mit ihrem Freund ist sie gerne in der Natur unterwegs. Auch ihr Beruf als Heilpraktikerin und der damit verbundene Austausch mit anderen Betroffenen gaben ihr Halt. Den Morgen beginnt Eva immer mit einer Yoga-Session, denn so startet der Tag mit ihr, in ihrem Körper und nicht mit Terminen, erzählt uns Eva. Erst durch die Kompression sei so viel Bewegung überhaupt möglich. Denn früher fühlten sich ihre Beine eher an wie Zementklötze, scherzt sie.

Mutgeschichte Eva Yöga

Den Mut finden, anders zu sein

Wer Eva kennenlernt, spürt sofort ihre kreative Ader. So liebt sie es, ihre medizinische Kompression an ihren individuellen Kleidungsstil anzupassen und damit zu experimentieren. Ihre Versorgung bevorzugt sie in dunklen Farben und kombiniert sie am liebsten mit Röcken und Kleidern. Evas Mut, offen und sichtbar mit der Kompression umzugehen und sich dabei selbst treu zu bleiben, bemerkt auch ihr Umfeld. „Wenn ich mich selbst schön finde und dieses Bewusstsein ausstrahle – das ist es, was andere Menschen schön finden.“

Wunsch nach mehr psychischer Fürsorge bei der Diagnose

Obwohl sie, wie sie selbst sagt, Frieden mit ihrem Lipödem geschlossen hat, sieht Eva weiterhin großen Aufklärungsbedarf rund um die Therapie von Lip- und Lymphödemen, etwa durch mehr Fachärzte mit Expertise auf diesem Gebiet. Auch mangele es noch sehr an Unterstützung beim Selbst- oder Alltagsmanagement und auch die Betreuungsmöglichkeiten rund um die psychischen Folgen einer Lipödem-Erkrankung müssten sich deutlich verbessern. Generell müsse die Gesellschaft und vor allem die Politik noch stärker für das Krankheitsbild sensibilisiert werden: „Damit Betroffene jetzt und in Zukunft die Hilfe bekommen, die sie benötigen, um ein gutes Leben mit Lipödem führen zu können.“


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