Wie wird manuelle Lymphdrainage bei Lymphödem und Lipödemen verordnet?

Die manuelle Lymphdrainage (MLD) ist eine spezielle Massagetechnik, die die Haut und die darunterliegende Schicht leicht dehnt. Ihr Ziel ist es, das Lymphsystem zu aktivieren, um die Lymphflüssigkeit zum Abfluss anzuregen. Deshalb wird die MLD zur Behandlung von Lipödemen, einer Fettverteilungsstörung, und Lymphödemen, einer Ansammlung von Lymphflüssigkeit im Gewebe, angewendet. Aber wie bekommt man manuelle Lymphdrainage auf Rezept verschrieben? Dieser Frage gehen wir nach, basierend auf den neuesten Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 16. Mai 2024, die am 1. Oktober 2024 in Kraft traten.

Manuelle Lymphdrainage wird als Heilmittel vom Arzt verordnet.
Manuelle Lymphdrainage wird als Heilmittel vom Arzt verordnet.

Grundlagen für die Verordnung von manueller Lymphdrainage

Die manuelle Lymphdrainage (MLD) wird gemäß der Heilmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses verordnet. Diese Richtlinie legt die Verordnung von Heilmitteln im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung fest. Der Heilmittelkatalog befindet sich im zweiten Teil dieser Richtlinie. Wichtig zu wissen: Heilmittel sind persönlich zu erbringende medizinische Leistungen. Das bedeutet, dass Geräte wie der Lymphomat für die apparative Lymphdrainage, z.B. die Intermittierende Vakuumtherapie (IVT), nicht darunter fallen, sondern nur die manuelle Lymphdrainage zu den Heilmitteln zählt.

Wer darf manuelle Lymphdrainage durchführen?

Die manuelle Lymphdrainage (MLD) ist eine spezielle Technik innerhalb der Physiotherapie und wird gemäß §18 Massagetherapie der Heilmittel-Richtlinie klassifiziert. Der Physiotherapeut oder Masseur benötigt eine spezielle Fortbildung, um die MLD durchführen zu dürfen.

 

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die manuelle Lymphdrainage?

Wenn ein Vertragsarzt die manuelle Lymphdrainage verschreibt, übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die anfallenden Kosten für die Therapie. Allerdings sind die Patienten verpflichtet, eine gesetzliche Zuzahlung zu leisten. Gemäß § 61 SGB V 10% beträgt diese Zuzahlung 10% der Heilmittelkosten sowie 10 EUR pro Verordnung.

Manuelle Lymphdrainage am Bein

Welche Behandlungszeiten sind bei der manuellen Lymphdrainage verordnungsfähig?

Stadium I:

  • Behandlung eines Körperteils:
    • Kopf/Hals
    • Ein Arm
    • Ein Bein
    • Rumpf
  • Behandlung von zwei Körperteilen:
    • Beide Arme
    • Beide Beine
    • Ein Arm und ein Bein
    • Eine Extremität und Kopf/Hals oder Rumpf

Stadium II: 

  • Behandlung eines Körperteils:
    • Kopf/Hals
    • Ein Arm
    • Ein Bein
    • Rumpf

Stadium II: Behandlung eines oder zweier Körperteile:

  • Ein Arm und ein Bein
  • Beide Arme
  • Beide Beine
  • Kopf/Hals mit einer Extremität oder dem Rumpf

Stadium III: Behandlung eines Körperteils:

  • Kopf/Hals
  • Ein Arm
  • Ein Bein
  • Rumpf

Ausnahmefälle (Stadium I): Kurzfristiger oder vorübergehender Bedarf bei Behandlung von zwei Körperteilen:

  • Beide Arme
  • Beide Beine
  • Ein Arm und ein Bein
  • Eine Extremität  und Kopf/Hals oder Rumpf

Stadium II: Behandlung von zwei Körperteilen:

  • Beide Arme
  • Beide Beine
  • Ein Arm und ein Bein
  • Eine Extremität und Kopf/Hals oder Rumpf

Stadium III: Behandlung von:

  • Einem Körperteil, wie:
    • Kopf/Hals
    • Ein Arm
    • Ein Bein
    • Rumpf
  • Oder zwei Körperteilen, wie:
    • Beide Arme
    • Beide Beine
    • Ein Arm und ein Bein
    • Eine Extremität und Kopf/Hals oder Rumpf

Hinweise zur Verordnung

  • Die Verordnerin oder der Verordner gibt die Behandlungszeit (z. B. MLD-30, MLD-45, MLD-60) oder das Stadium des Lymphödems oder Lipödems in Form des ICD-10-Codes an.
  • Falls keine Therapiezeit angegeben ist, entscheidet die Therapeutin oder der Therapeut basierend auf dem Befund über die Dauer.
  • Es ist nicht erforderlich, die zu behandelnden Körperteile auf der Verordnung anzugeben.

Kombination mit Kompressionstherapie

Nach der MLD sollte direkt eine Kompressionsbandagierung erfolgen, um den Behandlungserfolg zu sichern. In der Entstauungsphase kommen Kompressionsbinden zum Einsatz, die separat als Verbandmittel verordnet werden müssen. In der Erhaltungsphase wird die Nutzung von maßgefertigten flachgestrickten Kompressionsstrümpfen empfohlen.

Wie oft kann manuelle Lymphdrainage verordnet werden?

Die Frequenz und Häufigkeit der Verordnung manueller Lymphdrainage (MLD) richtet sich nach der Art und Schwere der Erkrankung, den daraus resultierenden Beeinträchtigungen sowie dem angestrebten Therapieziel. Dabei gelten folgende Regelungen:

Verordnungsfall und Fristen

  • Ein Verordnungsfall umfasst alle Heilmittelbehandlungen, die aufgrund derselben Diagnose durchgeführt werden (gleicher ICD-10-Code in den ersten drei Stellen).
  • Ein neuer Verordnungsfall tritt erst ein, wenn seit der letzten Verordnung 6 Monate vergangen sind und keine weiteren Verordnungen ausgestellt wurden.

Orientierende Behandlungsmenge

  • Laut Heilmittelkatalog können bei Lymphabflussstörungen (LY) pro Verordnung bis zu 6 Behandlungseinheiten verschrieben werden.
  • Insgesamt sind bis zu 30 Behandlungseinheiten (orientierende Behandlungsmenge) möglich, abhängig von der Therapiefrequenz und dem Behandlungsziel.
  • Ergänzende Maßnahmen wie Kompressionsbandagen zählen nicht zur orientierenden Behandlungsmenge und können separat verordnet werden.
  • Die Behandlungen sollten idealerweise 1 bis 3 Mal pro Woche stattfinden.ordnungsfall tritt erst ein, wenn seit der letzten Verordnung 6 Monate vergangen sind und keine weiteren Verordnungen ausgestellt wurden.

Zusätzliche Verordnungen

  • Wird das Therapieziel mit der orientierenden Behandlungsmenge nicht erreicht, können weitere Verordnungen ausgestellt werden. In diesem Fall ist eine ärztliche Dokumentation der individuellen medizinischen Gründe erforderlich.
  • Bei Patient:innen mit langfristigem Heilmittelbedarf (z. B. schwergradigen Lymphödemen) können Heilmittel für bis zu 12 Wochen pro Verordnung verschrieben werden. Dabei gelten die orientierenden Behandlungsgrenzen nicht.

Therapiedauer

Die Behandlung muss innerhalb von 28 Tagen nach Ausstellung der Verordnung begonnen werden. Bei dringendem Behandlungsbedarf ist der Beginn auf 14 Tage begrenzt.
Eine Unterbrechung der Behandlung ohne Begründung darf 14 Kalendertage nicht überschreiten.

Langfristiger Heilmittelbedarf bei Lymphödem 

Wenn Sie an einem Lymphödemleiden, haben Sie unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine langfristige Versorgung mit manueller Lymphdrainage. Dies gilt insbesondere für schwergradige, chronische Erkrankungen, bei denen ein regelmäßiger Therapiebedarf besteht. 

Langfristiger Heilmittelbedarf liegt vor, wenn eine schwerwiegende und dauerhafte Beeinträchtigung der Lymph- oder Fettgewebefunktion besteht und eine kontinuierliche Behandlung notwendig ist. 

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat spezifische Diagnosen festgelegt, bei denen der langfristige Heilmittelbedarf als erfüllt gilt. Für diese Diagnosen ist kein gesondertes Antrags- oder Genehmigungsverfahren bei der Krankenkasse erforderlich.
 

  • Lymphödem der oberen und unteren Extremität(en) im Stadium II (ICD-10: I89.01) oder Stadium III (ICD-10: I89.02)
  • Lymphödem, sonstige Lokalisation, im Stadium II (ICD-10: I89.04) oder Stadium III (ICD-10: I89.05)
  • Lymphödem nach (partieller) Mastektomie (mit Lymphadenektomie) im Stadium II (ICD-10: I97.21) oder Stadium III (ICD-10: I97.22)
  • Lymphödem nach medizinischen Maßnahmen am axillären Lymphabflussgebiet im Stadium II (ICD-10: I97.82) oder Stadium III (ICD-10: I97.83)
  • Lymphödem nach medizinischen Maßnahmen am inguinalen Lymphabflussgebiet im Stadium II (ICD-10: I97.85) oder Stadium III (ICD-10: I97.86)
  • Hereditäres Lymphödem der oberen und unteren Extremität(en) im Stadium II (ICD-10: Q82.01) oder Stadium III (ICD-10: Q82.02)
  • Hereditäres Lymphödem, sonstige Lokalisation, im Stadium II (ICD-10: Q82.04) oder Stadium III (ICD-10: Q82.05)

Wenn eine Diagnose nicht in der offiziellen Liste enthalten ist, kann der langfristige Heilmittelbedarf individuell bei der Krankenkasse beantragt werden. Eine Genehmigung für langfristigen Heilmittelbedarf kann in diesem Fall unbefristet oder auf mehrere Jahre erfolgen.

Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE)

Bei einem Lipödem kann die MLD nur im Rahmen der Komplexen Physikalischen Entstauungstherapie (KPE) verordnet werden. Diese Therapie kombiniert verschiedene Behandlungselemente:

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht immer alle diese Komponenten gleichzeitig notwendig sind.

Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE)

Die komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE) als Basistherapie bei Lymph- und Lipödemen.

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