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Schwerpunktthema Adipositas in der Phlebologie

Ärztlicher Kreisverband Bamberg veranstaltet eintägiges Phlebologie-Seminar zu einem aktuell vieldiskutierten Thema.

Während des Bamberger Phlebologie-Seminars 2012 kam sie bereits kurz zur Sprache: die Adipositas mit ihren besonderen Bedingungen bei venenchirurgische Eingriffen. Zum diesjährigen Seminar, das am 28.06.2014 wieder im Hotel Residenzschloss in Bamberg stattfand, nahmen die Referenten dieses aktuelle Thema zum Anlass, um aus ihrem Praxisalltag zu berichten.

Den Einstieg gab PD Dr. med. Reich-Schupke, Chefärztin der Artemed Fachklinik Prof. Dr. Dr. Salfeld in Bad Oeynhausen. In ihrem Vortrag "Besonderheiten der Kompressionstherapie bei adipösen Patienten" sprach sie Übergewicht und Adipositas als weltweite Epidemie an. Ihr Beitrag zeigte, dass es Verknüpfungen zwischen Adipositas und der chronischen venösen Insuffizienz (CVI) gibt, wobei die CVI hier ohne Varikose vorkommen kann. Grund dafür sei das Adipositas-assoziierte Dependency Syndrom, wo bei mangelnder Aktivität der Wadenmuskelpumpe zusammen mit der Last der Bauchfettschürze eine venöse Hypertonie in den Beinen entsteht. In der Folge können alle Zeichen einer CVI auftauchen. Im weiteren Verlauf kommt es zu hydrostatischen Ulzerationen. Ausmaß und Schwere der Symptome nehmen mit steigendem BMI zu. Bei einem BMI größer vierzig manifestiert sich oft auch ein lokales chronisches Lymphödem im Unterbauch, Genitalbereich und in den Beinen. Anhand eines schwerwiegenden Falles von Ulcus cruris bei einer fünfzigjährigen adipösen Patientin machte Dr. Reich-Schupke deutlich, wie wichtig eine komplexe Therapie und die Mithilfe der Betroffenen durch Bewegung und Gewichtsreduktion sind. Durch ein komplexes Kompressions-Management mit Kompressionsverbänden und flachgestrickter Versorgung konnte die Patientin wieder mobilisiert werden, nachdem sie seit zwanzig Jahren unzureichend behandelt war. Die praktische Ausrichtung des Vortrags animierte zahlreiche Teilnehmer zu Fragen und regem Informationsaustausch.

Der Beitrag von OA Dr. med. Alfred Obermayer, Leiter des Karl Landsteiner Instituts für funktionelle Phlebochirurgie in Melk, beschäftigte sich mit der Venenchirurgie bei adipösen Patienten. Dr. Obermayer stellte diese aus seiner Erfahrung als Herausforderung dar, weil dabei einige Besonderheiten zu beachten sind, die er ausführlich erklärte. Sein Vortrag "Der XXL-Patient in der Gefäßchirurgie - gibt es mehr Komplikationen?" erläuterte zunächst das Phänomen, dass CVI bei adipösen Patienten oft ohne Reflux vorkommt. Ursache hierfür ist die verringerte Sogwirkung der thorako-abdominellen Pumpe - das Zwerchfell steht wegen der Adipositas höher und hat einen geringeren Atembewegungsumfang. Zahlreiche Bilder und Filme aus der eigenen Praxis begleiteten seinen Vortrag. Demonstriert wurde den Teilnehmern auch die Technik des von Dr. Obermayer entwickelten "Sourcings", mit der er die Quelle (die ursächliche insuffiziente Vene) eines venösen Ulkus eindeutig ermitteln kann. Er zeigte auch, dass moderne ultraschallgezielte endoluminale Verfahren wie Schaumverödung oder Thermoablation bei adipösen Patienten aufgrund größerer Venendurchmesser weniger gut geeignet sind als die Operation. Abschließend gab er seinen Kollegen den Rat, Operationstechniken zunächst bei normalgewichtigen Patienten zu beherrschen und erst mit einiger Erfahrung adipöse Patienten zu behandeln. Es gebe, so Dr. Obermayer, in der gefäßchirurgischen Behandlung adipöser Patienten nicht mehr Komplikationen als bei normalgewichtigen Patienten, sofern man deren Besonderheiten berücksichtigt.

Für den abschließenden Vortrag des Phlebologie-Seminars kam die renommierte Prof. Dr. med. Viola Hach-Wunderle nach Bamberg. Sie beschrieb die "Pathophysiologie der tumorbedingten Venenthrombose" anhand deutlicher Zahlen und komplexer grafischer Darstellungen. Oft, nämlich mit einer siebenfach höheren Wahr-scheinlichkeit, entwickeln Krebspatienten eine venöse Thromboembolie (VTE), was deren Mortalität um das siebenfache steigen lässt. Prof. Dr. Hach-Wunderle stellte dabei mehrere Risikofaktoren vor: Metastasierungen, der Blutkrebs per se, aber auch Chemo-, Anti-Hormon- und Cortison-Therapie sowie Operationen erhöhen das Risiko einer VTE bei Krebspatienten. Anhand von Grafiken wurden die Interaktionen von Tumorzelle und Hämostase gezeigt, ebenso der Zusammenhang zwischen neutrophilen Zellen und der Entstehung von Thrombosen. Prof. Dr. Hach-Wunderle fasste ihren anspruchsvollen Vortrag mit einem praktischen Rat zusammen: Wer Krebspatienten operiert, sollte nicht nur eine medikamentöse sondern auch eine physikalische Thromboseprophylaxe durchführen. Thromboserisiko einerseits und Blutungsrisiko andererseits sind bei diesen hoch gefährdeten Patienten immer gegeneinander abzuwägen.

Während des Seminartages und auch dem anschließenden zwanglosen Beisammensein nutzten die Teilnehmer und Referenten die Gelegenheit zu zahlreichen Gesprächen und Diskussionen - ein reger Austausch, von dem alle profitierten.

 

Hier finden Sie die Pressemitteilung und Bildmaterial zum Herunterladen:


Pressemitteilung 236,1 KB
Bild: Vortrag PD Dr. med. Stefanie Reich-Schupke 755,5 KB
Bild: OA Dr. med. Alfred Obermayer 892,2 KB